Die Gründerjahre und der Gründerkrach von 1873
Die Gründerjahre von 1871 bis 1873 waren eine Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs im neu gegründeten Deutschen Kaiserreich. Dieser Boom wurde durch mehrere Faktoren begünstigt, darunter der Sieg Deutschlands im Deutsch-Französischen Krieg und die daraus resultierenden Reparationszahlungen Frankreichs. Die politische Einigung Deutschlands 1871 schuf einen einheitlichen Markt ohne innere Zollgrenzen, was die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich förderte.
Highlight: Die Reparationszahlungen von 5 Milliarden Francs von Frankreich an Deutschland sowie die Abtretung wirtschaftlich starker Gebiete in Lothringen bildeten eine wichtige finanzielle Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung.
In dieser Zeit erlebten verschiedene Industriezweige ein starkes Wachstum:
- Die Eisenbahnindustrie, angeführt von Unternehmern wie Bethel Henry Strousberg, expandierte rapide.
- Die industrielle Chemie entwickelte sich, insbesondere im Bereich der Farb- und Werkstoffe.
- Maschinenbau und Elektrotechnik verzeichneten bedeutende Fortschritte.
- Die Stahlproduktion, exemplarisch vertreten durch Friedrich Krupp, baute ihre Kapazitäten massiv aus.
Vocabulary: Überkapazität bezeichnet eine Produktionskapazität, die die tatsächliche Nachfrage übersteigt. Dies war besonders in der Stahlindustrie der Fall und trug zur späteren Krise bei.
Trotz des allgemeinen Aufschwungs zeichnete sich bereits eine Strukturkrise der Agrarindustrie ab, die auf längerfristige Probleme hindeutete.
Der Gründerkrach von 1873 beendete abrupt diese Boomphase. Hauptursachen waren:
- Überproduktion, die zu einem Preisverfall und sinkenden Gewinnen führte.
- Ein Überangebot auf dem Weltmarkt, das den Export deutscher Produkte erschwerte.
- Preisgünstige Importe, die die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Produkte beeinträchtigten.
- Extensive Börsenspekulation, die zu einer Blasenbildung führte.
Definition: Die zyklische Überproduktionskrise ist ein wiederkehrendes Phänomen in der Marktwirtschaft, bei dem die Produktion die Nachfrage übersteigt, was zu einem gewaltsamen Ausgleich der Widersprüche in der kapitalistischen Wirtschaft führt.
Der Höhepunkt der Krise wurde am 9. Mai 1873 erreicht, dem sogenannten "Schwarzen Freitag", an dem allein an der Wiener Börse 100 Banken insolvent wurden. Dieser Zusammenbruch hatte weitreichende Folgen für die deutsche Wirtschaft, da viel deutsches Kapital in Wien investiert war.
Example: Die Eisenbahnindustrie, das Baugewerbe, die Schwerindustrie und der Maschinenbau waren von der Krise besonders betroffen, was zu Massenentlassungen und steigender Arbeitslosigkeit führte.
Die Gründerkrise markierte das Ende der Hochindustrialisierung Deutschlands in ihrer ersten Phase und leitete eine längere Periode wirtschaftlicher Stagnation ein, die als "Große Depression" bekannt wurde. Diese Krise offenbarte die Schwächen des schnellen industriellen Wachstums und führte zu einer Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik im Deutschen Kaiserreich.