Kritische Betrachtung der Piaget'schen Theorie
Jean Piagets Theorie hat die Entwicklungspsychologie revolutioniert, wird aber heute in einigen Punkten kritisch gesehen. Piaget ging davon aus, dass Kinder nur mit Reflexen geboren werden und kein Vorverständnis von der Welt haben – neuere Forschungen zeigen jedoch, dass Säuglinge bereits über erstaunliche Erkennungsfähigkeiten verfügen.
Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass Piaget die kognitiven Fähigkeiten kleiner Kinder unterschätzte. Schon Neugeborene können zwischen belebten und unbelebten Objekten unterscheiden und zeigen Fähigkeiten zur Imitation, die über bloße Reflexe hinausgehen. Sie können früh Theorien bilden und Verhalten interpretieren.
Piagets Methodologie wird ebenfalls hinterfragt. Seine starke Abhängigkeit von verbalen Befragungen könnte die tatsächlichen Fähigkeiten von Kindern verschleiert haben, da sie oft Dinge verstehen können, ohne sie erklären zu können. Zudem machte er keinen ausreichenden Unterschied zwischen Kompetenz (was Kinder wissen) und Performanz (was sie zeigen können).
🔄 Wichtig zu wissen: Trotz der Kritikpunkte bleibt Piagets Assimilation-Akkommodation-Modell als grundlegendes Konzept der kognitiven Entwicklung bestehen. Die meisten heutigen Entwicklungstheorien bauen auf seinen Grundideen auf, auch wenn sie einige seiner Annahmen modifizieren.