Lösungsansätze für die soziale Frage
Die Lösungsansätze für die soziale Frage während der Industrialisierung lassen sich in vier Hauptkategorien einteilen: Marxismus, Unternehmer, Kirche und Staat. Jeder dieser Ansätze hatte unterschiedliche Ziele und Methoden, um die Probleme der Arbeiterklasse anzugehen.
Marxismus
Der Marxismus sah die Wirtschaft als zentrales Element jeder Gesellschaft und propagierte eine sozialistische Revolution als zwangsläufige Lösung des Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat.
Highlight: Die Hauptforderungen des Marxismus waren die Vergesellschaftung von Fabriken und Banken sowie die Aufhebung der Klassengesellschaft.
Ziel war es, die gesellschaftliche Position der Arbeiter durch die Auflösung aller Gesellschaftsklassen und die Vergesellschaftung der Wirtschaft zu verbessern.
Unternehmer
Die Unternehmer versuchten, die Situation der Arbeiter durch konkrete, aber in ihrer Wirkung auf lokaler Ebene beschränkte Maßnahmen zu verbessern:
- Bau von Werkswohnungen und Schulen
- Einführung von Hygiene- und Sicherheitsvorschriften
- Einrichtung von Läden zur günstigen Deckung des täglichen Bedarfs
Example: Ein Beispiel für unternehmerische Maßnahmen war der Bau von Arbeitersiedlungen, wie die Krupp-Siedlung in Essen.
Allerdings erwarteten die Unternehmer im Gegenzug Unterordnung, Gehorsam und den Verzicht auf politische Aktivitäten seitens der Arbeiter.
Kirche
Die Kirche stand der Industrialisierung und den damit verbundenen sozialen Veränderungen generell misstrauisch gegenüber. Ihre Lösungsansätze umfassten:
- Aufforderung an die Reichen zur Selbstbeschränkung
- Vermittlung von Werten wie Sittlichkeit, Genügsamkeit und Sparsamkeit
- Unterstützung wandernder Handwerksgesellen durch katholische Gesellenvereine
- Forderung nach Arbeitsschutz und gerechten Löhnen
Vocabulary: Gesellenvereine waren kirchliche Organisationen, die Handwerksgesellen auf ihrer Wanderschaft unterstützten und ihnen Unterkunft und Verpflegung boten.
Die Kirche zielte darauf ab, die gesellschaftliche Position der Arbeiter durch Betonung der christlichen Gesinnung und soziale Einzelmaßnahmen zu sichern.
Staat
Der staatliche Ansatz, maßgeblich geprägt durch Otto von Bismarck, bestand in einer fortschrittlichen Sozialgesetzgebung.
Definition: Die Bismarcksche Sozialgesetzgebung umfasste die Einführung der Krankenversicherung (1883), der Unfallversicherung (1884) und der Invaliditäts- und Altersversicherung (1889).
Ziel war es, den staatlichen Einfluss gegenüber anderen gesellschaftlichen Akteuren zu sichern und soziale Unruhen durch systematische, flächendeckende gesetzliche Maßnahmen zu verhindern.
Trotz der unterschiedlichen Motivationen und Ansätze aller gesellschaftlichen Akteure führten die getroffenen Maßnahmen, insbesondere die staatlichen, zu einer Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse. Allerdings zielten alle Ansätze auch darauf ab, die eigenen Machtpositionen zu sichern und emanzipatorische Bewegungen der Arbeiterschaft zu verhindern.