Lothar Krappmann: Symbolischer Interaktionismus
Lothar Krappmann (geb. 1936), ein deutscher Soziologe und Pädagoge, erweitert George Meads Rollentheorie des symbolischen Interaktionismus. Seine zentrale These: Identität entwickelt sich im Rahmen von Interaktionsprozessen.
Das Konzept der balancierten Identität
Nach Krappmann ist Identität nicht statisch, sondern veränderbar und wird in jedem Interaktionsprozess neu definiert. Sie besteht aus einer Balance zwischen:
- Personaler Identität (Einzigartigkeit des Individuums)
- Sozialer Identität (Anpassung an gesellschaftliche Rollenerwartungen)
Eine übermäßige Betonung der personalen Identität führt zu "phantom-uniqueness", während eine Überbetonung der sozialen Identität zu "phantom-normalcy" führt. Die ausbalancierte Ich-Identität ermöglicht gleichberechtigte Kommunikation – man wird von der Gesellschaft akzeptiert, bewahrt aber eine gewisse Individualität.
Die vier Grundqualifikationen nach Krappmann
Für erfolgreiche Interaktionen und Identitätsbildung sind vier Qualifikationen entscheidend:
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Rollendistanz: Die Fähigkeit, die eigene Rolle und die Erwartungen daran kritisch zu betrachten. Sie ermöglicht Reflexion und Perspektivwechsel.
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Role-Taking (Empathie): Das Hineinversetzen in sein Gegenüber, das Erkennen der Erwartungen und Bedürfnisse des anderen und die Übernahme seiner Perspektive.
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Ambiguitätstoleranz: Die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten zwischen fremden Erwartungen und eigenen Bedürfnissen auszuhalten. Sie hilft, mit Rollenkonflikten umzugehen.
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Identitätsdarstellung: Die Fähigkeit, mehr von sich preiszugeben, als die Situation verlangt, und sich als eigenständige Persönlichkeit zu präsentieren.
💡 Pädagogischer Tipp: Um Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken, sollten Eltern und Lehrer emotionale, sichere Bindungen ermöglichen, Erfahrungen der Selbstwirksamkeit fördern und vielfältige Sprechanlässe schaffen. In der Schule können Referate, kooperative Arbeitsformen und demokratische Entscheidungsprozesse die Entwicklung der vier Grundqualifikationen unterstützen.
Krappmanns Theorie betont, dass ein selbstsicherer Mensch, der gut mit anderen kommunizieren kann, über Handlungskompetenzen verfügt und auf andere Rücksicht nimmt, das Ziel pädagogischer Bemühungen sein sollte.