Das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung

Klaus Hurrelmanns Modell der produktiven Realitätsverarbeitung befasst sich mit der Kernfrage der Sozialisation: Wie kann sich ein Individuum in die Gesellschaft integrieren und dabei eine handlungsfähige, individuelle Persönlichkeit bleiben? Das Modell beschreibt die ständige Auseinandersetzung zwischen innerer Realität (Körper und Psyche) und äußerer Realität (soziale und räumliche Umwelt) als Grundlage der Persönlichkeitsentwicklung.

Definition: Produktive Realitätsverarbeitung ist ein lebenslanger, dynamischer Prozess der Auseinandersetzung mit inneren und äußeren Realitäten.

Die Entwicklungsaufgaben nach Hurrelmann und seine 10 Maxime sind Teil dieses Verarbeitungsprozesses. Sie umfassen zwei Dimensionen:

1. Soziokulturelle Ebene (Integration): Erfüllung gesellschaftlicher Anforderungen
2. Psychobiologische Ebene (Individuation): Individuelle Persönlichkeitsbildung

Highlight: Moderne Entwicklungsaufgaben sind nicht universell gültig, sondern werden höchst individuell bearbeitet und unterscheiden sich in ihrer zeitlichen Begrenzung.

Die vier Entwicklungsaufgaben nach Hurrelmann

Die Entwicklungsaufgaben nach Hurrelmann sind zentrale Orientierungsgrößen für das individuelle Handeln und werden durch verschiedene Sozialisationsinstanzen vermittelt. Sie umfassen:

1. Qualifizieren: Diese Aufgabe beinhaltet die Ausbildung von Fähigkeiten zum Erwerb von Wissen und Fachkenntnissen. Sie zielt darauf ab, die gesellschaftliche Rolle des Berufstätigen zu übernehmen und eine ökonomische Basis für die selbstständige Existenz zu schaffen.

Beispiel: Schulische und berufsvorbereitende Bildung, Entwicklung von Werksinn als Voraussetzung für Leistungserbringung.

2. Binden: Hierbei geht es um die Entwicklung der Körper- und Geschlechtsidentität, die emotionale Ablösung von den Eltern und den Aufbau von Bindungsverhalten. Das Ziel ist die Übernahme der gesellschaftlichen Rolle des Familiengründers.

Highlight: In dieser Phase gewinnen Gleichaltrige zunehmend an Einfluss, auch bei Fragen der sexuellen Orientierung.