Anfänge der deutschen Nationalbewegung und der Weg zur Reichsgründung
Die Entwicklung Deutschlands zum Nationalstaat begann mit der Französischen Revolution 1789 und erstreckte sich über fast ein Jahrhundert bis zur Reichsgründung 1871. Dieser komplexe Prozess war geprägt von politischen Umwälzungen, revolutionären Bewegungen und kriegerischen Auseinandersetzungen.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es kaum eine Vorstellung von einer gemeinsamen deutschen Nation. Die Niederlage Napoleons gegen Russland 1812/1813 und die darauffolgenden Befreiungskämpfe führten zum Aufkommen von Nationalbewegungen. Es entstand die Frage, ob Deutschland weiterhin aus vielen kleinen Fürstentümern bestehen oder ein einiges Land werden sollte.
Highlight: Der Wiener Kongress 1814/1815 spielte eine entscheidende Rolle für die politische Neuordnung Europas und Deutschlands nach den Napoleonischen Kriegen.
Der Wiener Kongress führte zur Gründung des Deutschen Bundes, der von 1815 bis 1866 die politische Ordnung Deutschlands bestimmte. Diese Struktur beließ die politische Macht weiterhin bei den Fürsten und hatte kein gemeinsames Oberhaupt. Die Reaktion auf diese Entwicklung war Enttäuschung unter den Befürwortern einer deutschen Einheit.
Vocabulary: Der Deutsche Bund war ein loser Zusammenschluss von 39 souveränen Staaten und freien Städten, der als Ersatz für das aufgelöste Heilige Römische Reich Deutscher Nation diente.
Das Wartburgfest 1817 markierte einen ersten oppositionellen Höhepunkt. Etwa 500 Burschenschaften versammelten sich und forderten die Wiedererrichtung eines Deutschen Reiches. Als Reaktion darauf wurden die Karlsbader Beschlüsse erlassen, die zu einer Einschränkung des literarischen und politischen Lebens führten.
Example: Die Karlsbader Beschlüsse beinhalteten unter anderem Pressezensur, Berufsverbote für liberale und nationale Professoren sowie das Verbot von Burschenschaften.
Das Hambacher Fest 1832 war ein weiterer wichtiger Meilenstein der Nationalbewegung. Unter schwarz-rot-goldenen Fahnen forderten Redner die deutsche Einheit und eine Verfassung. Das Ziel war ein einiges und liberales Deutsches Reich als Verfassungsstaat.
Die Revolution von 1848 brachte weitere Fortschritte. In der Frankfurter Paulskirche tagte die erste deutsche Nationalversammlung, die eine Verfassung für ein geeintes Deutschland ausarbeitete. Obwohl die Revolution letztlich scheiterte, hinterließ sie bleibende Ideen und Konzepte für einen deutschen Nationalstaat.
Definition: Die Deutsche Nationalbewegung 1815 bis 1848 umfasste alle Bestrebungen zur Schaffung eines einheitlichen deutschen Nationalstaats und zur Überwindung der Kleinstaaterei.
In den folgenden Jahren suchte die Nationalbewegung neue Wege zum Nationalstaat. Es entwickelte sich ein umfassendes Vereinsleben, Parteien wurden gegründet, und eine öffentliche Festkultur entstand.
Der Weg zur deutschen Einheit wurde schließlich von Otto von Bismarck als preußischer Ministerpräsident vorangetrieben. Durch die Einigungskriege gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71) schuf er die Voraussetzungen für die Gründung des Deutschen Reiches.
Quote: Bismarck selbst beschrieb seine Politik mit den Worten: "Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut."
Die Reichsgründung 1871 markierte den Höhepunkt dieser Entwicklung. Am 18. Januar 1871 wurde König Wilhelm I. von Preußen im Spiegelsaal von Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert. Der neue Staat war ein von den Fürsten geschlossener Bundesstaat unter der Führung Preußens.
Highlight: Die Reichsgründung 1871 wird oft als "Revolution von oben" bezeichnet, da sie zwar auf der Nationalbewegung basierte, aber letztlich durch Bismarcks Machtpolitik und die preußische Führung verwirklicht wurde.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Weg Deutschlands auf dem Weg zum Nationalstaat von einer Symbiose aus der Nationalbewegung "von unten" und der Machtpolitik Bismarcks "von oben" geprägt war. Obwohl die Reichsverfassung wenig demokratisch ausfiel, bildete sie dennoch die Grundlage für den modernen deutschen Nationalstaat.