Klaus Hurrelmann und das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung
Klaus Hurrelmann, geboren 1944, gilt als einer der bekanntesten Erziehungs- und Sozialwissenschaftler unserer Zeit. Sein Modell der produktiven Realitätsverarbeitung ist ein zentraler Beitrag zur Jugendforschung und Sozialisationstheorie.
Das Modell beschreibt den Prozess der Realitätsverarbeitung als "produktiv", da die Persönlichkeit dadurch erarbeitet wird, dass der Jugendliche die äußere und innere Realität auf eine jeweils eigene, individuelle und kreative Weise konzipiert und so eine Identität ausbildet. Hurrelmann betrachtet den Jugendlichen als schöpferischen Konstrukteur seiner eigenen Entwicklung.
Highlight: Der Jugendliche wird als aktiver Gestalter seiner Entwicklung und nicht als passiver Empfänger von Einflüssen gesehen.
Hurrelmann betont, dass Jugendliche über personale und soziale Ressourcen verfügen, die von der sozialen Herkunft und dem Geschlecht beeinflusst werden. Die Identitätsentwicklung wird als Synthese von persönlicher Individuation und sozialer Integration verstanden.
Definition: Individuation bezeichnet den Prozess der Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit, während Integration die Einbindung in soziale Strukturen meint.
Das Modell umfasst auch 10 Maximen, die als Teil eines handlungstheoretisch ausgerichteten Sozialisationsmodells verstanden werden können. Diese Maximen fordern dazu auf, den Prozess der Realitätsverarbeitung selbst aktiv mitzugestalten.
Ein zentrales Element in Hurrelmanns Theorie sind die Entwicklungsaufgaben. Diese werden definiert als gesellschaftliche Erwartungen, die an Individuen verschiedener Altersgruppen herangetragen werden.
Vocabulary: Entwicklungsaufgaben umfassen körperliche, psychische, soziale und ökologische Anforderungen, die in individuellen Verhaltensprogrammen umgesetzt werden müssen.
Hurrelmann identifiziert vier Hauptentwicklungsaufgaben für Jugendliche:
- Qualifizieren: Entwicklung von intellektuellen und sozialen Kompetenzen für die spätere Berufstätigkeit.
- Binden: Entwicklung der Körper- und Geschlechtsidentität, emotionale Ablösung von den Eltern und Fähigkeit zur Bindung.
- Konsumieren: Entwicklung von sozialen Kontakten und Entlastungsstrategien sowie Umgang mit Wirtschafts-, Freizeit- und Medienangeboten.
- Partizipieren: Entwicklung eines individuellen Werte- und Normensystems und Fähigkeit zur politischen Partizipation.
Example: Ein Beispiel für die Entwicklungsaufgabe "Qualifizieren" wäre das Erlernen von Fremdsprachen oder das Absolvieren eines Praktikums zur Berufsorientierung.