Grundannahmen der systemischen Therapie
Die systemische Therapie nach Wilhelm Stierlin basiert auf mehreren grundlegenden Annahmen, die das Verständnis menschlichen Verhaltens im Kontext von Systemen und Beziehungen in den Mittelpunkt stellen.
Eine zentrale Annahme ist, dass das Individuum als Teil eines dynamischen Systems betrachtet wird, in dem Wechselwirkungen herrschen. Dies bedeutet, dass das Verhalten einer Person nicht isoliert, sondern immer im Zusammenhang mit den Reaktionen und Verhaltensweisen anderer Systemmitglieder verstanden werden muss.
Highlight: Das Individuum ist Teil eines dynamischen Systems mit Wechselwirkungen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Betrachtung von Verhaltensweisen als Beiträge zur Organisation eines Systems. Dabei werden Verhaltensweisen nicht als isolierte Handlungen gesehen, sondern als Ausdruck und Folge von Etikettierungen und Eigenschaftszuweisungen innerhalb des Systems.
Example: Wenn der Vater Maria ermahnt, mehr zu essen, die Mutter sie in Schutz nimmt und die Schwester sie vorwurfsvoll anschaut, könnte Maria als Reaktion darauf die weitere Nahrungsaufnahme verweigern.
Die systemische Therapie legt Wert darauf, gegenseitige Verhaltensweisen zu beschreiben, ohne Schuldzuweisungen vorzunehmen. Es wird angenommen, dass Annahmen und Verhaltensweisen auf sich selbst zurückwirken, was zu einer zirkulären Betrachtungsweise führt.
Eine weitere grundlegende Annahme ist, dass menschliches Verhalten Regeln unterworfen ist und zu Mustern gerinnt. Die Einbeziehung des Kontextes und die Kenntnis der Regeln sind entscheidend, um Verhaltensweisen zu erklären und zu verstehen.
Definition: Zirkuläre Fragen sind ein zentrales Instrument der systemischen Therapie, um Beziehungsmuster und Sichtweisen der Familienmitglieder zu erkunden.
Die systemische Therapie betont auch die Fähigkeit des Menschen zu individuellen Entscheidungen und Eigenverantwortlichkeit, selbst im Kontext von Krankheit oder Problemen. Dies unterstreicht die Handlungsfähigkeit des Individuums innerhalb des Systems.
Quote: "Jeder Mensch ist nicht nur Opfer seiner Krankheit, er ist immer noch zu individuellen Entscheidungen und der Eigenverantwortlichkeit fähig."
Schließlich wird anerkannt, dass unser Verhalten von Ideen und Bedeutungsgebungen beeinflusst wird, die die Handlungen der Mitglieder eines Systems leiten und koordinieren. Je begrenzter diese Ideen sind, desto kleiner wird der Handlungsspielraum der Beteiligten.