Aufgabenstellung: Hundertfüßer-Gift

Diese Klausur aus dem Biologie-LK beschäftigt sich mit Neurobiologie und dauert 225 Minuten. Der erste große Block dreht sich um die faszinierenden Gifte der Hundertfüßer.

Du musst eine Nervenzelle zeichnen und erklären, wie spannungsabhängige Ionenkanäle funktionieren. Besonders wichtig sind die Natriumionenkanäle bei der Weiterleitung von Aktionspotentialen.

Die Patch-Clamp-Methode steht im Mittelpunkt der Analyse. Mit dieser Technik können Forscher einzelne Ionenkanäle untersuchen und messen, wie Toxine sie beeinflussen. Du sollst die Ergebnisse der Messungen beschreiben und erklären, wie das Toxin ST2 auf molekularer Ebene wirkt.

Tipp: Beginne immer mit den molekularen Vorgängen und arbeite dich zu den körperlichen Effekten vor - das zeigt strukturiertes Denken!

Material: Hundertfüßer und ihre Waffen

Hundertfüßer (Chilopoda) sind beeindruckende Jäger mit über 3.000 verschiedenen Arten. Die größten Skolopender können bis zu 30 cm lang werden und jagen sogar Frösche, Mäuse und Fledermäuse!

Ihre Geheimwaffe sind die Giftklauen am Kopf, die verschiedene Neurotoxine injizieren. Diese Toxine binden an spannungsgesteuerte Ionenkanäle und lähmen oder töten die Beute blitzschnell.

Für Menschen ist ein Biss normalerweise nicht tödlich, aber extrem schmerzhaft. Die Hundertfüßer nutzen ihr Gift sowohl zur Jagd als auch zur Verteidigung gegen Vögel und Schlangen.

Merke dir: Neurotoxine sind hochspezialisierte Moleküle, die gezielt das Nervensystem angreifen - perfekte biologische Waffen!

Patch-Clamp-Experimente mit ST2

Die Patch-Clamp-Methode ist ein geniales Verfahren, um einzelne Ionenkanäle zu untersuchen. Wissenschaftler haben damit die Wirkung von drei Toxinen (ST2, ST5, RhTx) des Chinesischen Rotkopfhundertfüßers erforscht.

Bei den K⁺-Kanälen zeigt sich: Ohne Gift fließen bei Reizung etwa 5 nA Kaliumionen aus der Zelle. Mit wenig ST2 $0,008 µmol/L$ sind es nur noch 4 nA. Bei hoher Dosis $1 µmol/L$ ist der Kaliumausstrom fast komplett blockiert!

Das bedeutet: ST2 verhindert die normale Repolarisation der Nervenzelle nach einem Aktionspotential. Die Zelle bleibt depolarisiert und kann keine neuen Signale mehr weiterleiten.

Wichtig: Kaliumkanäle sind für die Repolarisation entscheidend - blockiert man sie, ist die Nervenzelle lahmgelegt!

Weitere Toxin-Experimente

Das Toxin ST5 wirkt ganz anders als ST2: Es verstärkt den Calciumeinstrom an Synapsen dramatisch. Während normale Zellen kaum Calcium durchlassen, explodiert der Ca²⁺-Strom mit ST5 förmlich.

Die Experimente an Amerikanischen Großschaben zeigen klare Unterschiede: ST2 tötet die Insekten dosisabhängig $bei 10⁻⁷ mol/g sind 100$, während ST5 praktisch wirkungslos bleibt.

RhTx aktiviert den Schmerzrezeptor TRPV1 bei Wirbeltieren. Dieser Rezeptor kommt bei Menschen, Vögeln und Reptilien vor - perfekt zur Abschreckung von Fressfeinden.

Die drei Toxine haben also verschiedene Aufgaben: ST2 für Insektenjagd, ST5 für Wirbeltiere, RhTx zur Verteidigung.

Faszinierend: Ein einziger Hundertfüßer besitzt einen ganzen Chemie-Baukasten verschiedener Toxine für unterschiedliche Zwecke!

Aufgabe: Haarzellen im Innenohr

Der zweite Aufgabenkomplex dreht sich um die Signaltransduktion in unserem Hörsystem. Du sollst zunächst die synaptische Übertragung detailliert erklären - ein Grundbaustein der Neurobiologie.

Dann geht's zu den Haarzellen: Diese faszinierenden Mechanorezeptorzellen wandeln Schallwellen in elektrische Signale um. Du musst den kompletten Weg von der mechanischen Reizung bis zur Änderung des Membranpotentials beschreiben.

Die Stereozilien spielen dabei die Hauptrolle. Sie sind durch Tip-Links verbunden und öffnen bei Auslenkung mechanisch gesteuerte Ionenkanäle.

Besonders knifflig wird die Erklärung der Aktionspotentialfrequenz: Warum feuern Nervenzellen bei stärkeren Reizen häufiger?

Tipp: Bei Haarzellen ist alles mechanisch gesteuert - ganz anders als bei "normalen" Neuronen mit spannungsabhängigen Kanälen!

Aufbau der Haarzellen

Haarzellen sind die Superhelden unseres Hörsystems! Sie sitzen in der Endolymphe der Hörschnecke, die besonders viel Kalium enthält - das ist der Trick des ganzen Systems.

Die Stereozilien sind wie eine kleine Orgel aufgebaut: von klein nach groß sortiert und durch elastische Tip-Links verbunden. An den Spitzen sitzen mechanisch gesteuerte Kaliumkanäle, die bei Auslenkung aufgehen.

Wird die Haarzelle gereizt, strömt Kalium ein (statt wie sonst raus!), weil die Endolymphe so kaliumreich ist. Das depolarisiert die Zelle und öffnet spannungsgesteuerte Calciumkanäle an der Basis.

Calcium löst dann die Transmitterfreisetzung aus, und der Hörnerv leitet das Signal ans Gehirn weiter.

Genial: Die kaliumreiche Endolymphe dreht die normalen Ionenverhältnisse um - Kaliumeinstrom wird zum Erregungssignal!

Experimentelle Daten zu Haarzellen

Die neurophysiologischen Experimente zeigen, wie präzise Haarzellen arbeiten. Bei geringer Auslenkung der Stereozilien (0,2 nm) fließt wenig Kalium, bei starker Auslenkung (0,6 nm) entsprechend mehr.

Der Ionenfluss folgt direkt der mechanischen Reizung - das nennt man Rezeptorpotential. Je stärker die Auslenkung, desto mehr Kanäle öffnen sich und desto mehr Kalium strömt ein.

Diese graduellen Änderungen werden dann in Aktionspotentiale umgewandelt: Schwache Reize = wenige APs pro Sekunde, starke Reize = viele APs pro Sekunde. So codiert unser Gehör die Lautstärke.

Die Tip-Links sind entscheidend: Ohne sie können sich die Kanäle nicht öffnen, was zu Schwerhörigkeit führt.

Clever: Haarzellen übersetzen winzige mechanische Bewegungen (Nanometer!) in elektrische Signale - echte Präzisionsarbeit!

Bewertungskriterien und Lösungsansätze

Die Nervenzellen-Zeichnung muss alle wichtigen Strukturen enthalten: Zellsoma, Axonhügel, Axon, Dendriten, Myelinscheiden und synaptisches Endknöpfchen. Vergiss die Beschriftung nicht!

Bei spannungsabhängigen Ionenkanälen kommt es auf die Details an: Sie öffnen sich bei bestimmten Spannungen, ermöglichen Ionenströme und sorgen für die Weiterleitung von Aktionspotentialen. Die Refraktärzeit verhindert Rückwärtsleitung.

Für das ST2-Toxin musst du den Mechanismus verstehen: Es blockiert K⁺-Kanäle, verhindert Repolarisation, hält die Membran depolarisiert und macht weitere Aktionspotentiale unmöglich.

Die Patch-Clamp-Ergebnisse zeigen dosisabhängige Hemmung des Kaliumausstroms - von 5 nA ohne Gift bis fast null bei hoher ST2-Konzentration.

Profi-Tipp: Arbeite immer von der molekularen zur physiologischen Ebene - das zeigt dein Verständnis der Zusammenhänge!

Membranpotential-Verlauf und Toxin-Funktionen

Die Skizze des Membranpotentials muss zwei Kurven zeigen: normale Erregung mit kompletter Repolarisation und ST2-Vergiftung mit blockierter Repolarisation. Achte auf korrekte Achsenbeschriftung und Werte!

Bei der Auswertung der Toxin-Funktionen wird's strategisch: ST2 tötet Insekten effektiv (perfekt für die Jagd), ST5 wirkt auf Wirbeltiere über gestörte Calcium-Homöostase, RhTx aktiviert Schmerzrezeptoren zur Verteidigung.

Hundertfüßer haben also ein perfekt abgestimmtes Arsenal: verschiedene Toxine für verschiedene Beutetiere und Situationen. Das zeigt, wie raffiniert die Evolution biochemische Waffen entwickelt hat.

Die Darstellungsleistung fließt in die Bewertung ein: klare Struktur, Fachsprache, sinnvolle Skizzen und ordentliche Gestaltung bringen extra Punkte!

Erfolgsgeheimnis: Strukturiere deine Antworten logisch und verwende immer die korrekte Fachsprache - das beeindruckt die Lehrkraft!

Synapse und Bewertungsschlüssel

Die Erregungsübertragung an Synapsen erfordert detailliertes Wissen: Endknöpfchen, prä- und postsynaptische Membran, synaptischer Spalt müssen alle korrekt benannt werden.

Der Bewertungsschlüssel zeigt, worauf es ankommt: Bei der Nervenzellen-Zeichnung gibt's 6 Punkte für die Strukturen, bei den spannungsabhängigen Kanälen 7 Punkte für die Mechanismen.

ST2-Toxin-Analyse bringt 22 Punkte: 9 für die Beschreibung der Patch-Clamp-Daten, 12 für die Wirkungsweise plus eventuelle Zusatzpunkte.

Die Membranpotential-Skizze ist mit 11 Punkten bewertet: 3 für korrekte Achsen, 6 für beide Kurven, 2 für Schwellen- und Ruhepotential.

Punktejagd: Konkrete Werte aus den Diagrammen anzugeben, bringt oft extra Punkte - überlies die Abbildungen genau!