Zwischen zwei Welten: Elisabeth vs. Runenbergfrau
Christian steht vor einer unmöglichen Wahl zwischen zwei völlig verschiedenen Lebenswelten, verkörpert durch zwei Frauen. Die Runenbergfrau repräsentiert die übernatürliche, magische Welt der Träume und Sehnsüchte. Sie ist überirdisch schön, leuchtend und erotisch – eine klassische Sirenen-Figur, die Männer betört und ins Verderben lockt.
Elisabeth hingegen steht für die bürgerliche, religiöse Ordnung: sanft, natürlich, zart und echt. Sie verkörpert Vernunft, Sicherheit und Beständigkeit – eine Maria-Figur, die Ruhe und Geborgenheit verspricht. Bei ihr fühlt sich Christian angekommen und geliebt.
Die Zerrissenheit Christians wird perfekt in dieser Textstelle deutlich: "das Seltsamste und das Gewöhnliche war so ineinander vermischt, dass er es unmöglich sondern konnte." Er kann nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden.
Am Ende folgt Christian seiner romantischen Sehnsucht nach dem Absoluten und verschwindet zurück in den Wald – er verliert damit seine Verbindung zur Realität. Tieck zeigt damit, dass die romantische Suche nach dem Idealen gefährlich werden kann, wenn man die Balance zwischen Traum und Wirklichkeit verliert.
Interpretations-Tipp: Die zwei Frauen symbolisieren den klassischen romantischen Konflikt zwischen dem Streben nach dem Unendlichen und dem Bedürfnis nach menschlicher Geborgenheit.