Gretchen - Von der Unschuld zum Fall
Margarete (Gretchen) ist ein junges, gläubiges Mädchen über 14 Jahre, das selbstbestimmt auftritt: "Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause geh'n." Sie lebt tugendhaft, geht zur Beichte obwohl sündenfrei, und kümmert sich um den Haushalt nach dem Tod der Eltern.
Ihr Wunsch nach sozialem Aufstieg wird durch Mephistos Geschenk geweckt. Die Heimlichkeiten mit Faust verändern sie grundlegend - sie vernachlässigt ihre Pflichten und folgt ihren körperlichen Begierden. Ihr Gebet vor der Mater Dolorosa zeigt ihre innere Zerrissenheit zwischen Verlangen und Moral.
Die Begegnung mit ihrem Bruder Valentin wird zum Wendepunkt. Er prangert sie öffentlich an und prophezeit ihr Leben als "Hur'" in Armut. Nach Valentins Tod durch Fausts Hand und dem Tod ihrer Mutter trägt Gretchen eine dreifache Schuld.
Ihre Entwicklung führt von kirchlicher Frömmigkeit zu echtem, persönlichem Theismus. Im Kerker findet sie zu Gott zurück: "Dein bin ich, Vater, rette mich!" Sie verkörpert das klassische Ideal der "schönen Seele" und wird am Ende gerettet, während Faust weiter irrt.
Interpretationshilfe: Gretchens Entwicklung zeigt den Weg von oberflächlicher Kirchenfrömmigkeit zu innerem, echtem Glauben.