Romantik als Ausdruck einer Krisenerfahrung
Die Romantik entstand als Reaktion auf tiefgreifende Krisenerfahrungen ihrer Zeit. In der gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit fehlten Mittelpunkte des geselligen Lebens, was zu Vereinzelung und Einsamkeit führte. Es gab kein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl und keine bedeutende deutsche Kultur, die Identität stiften konnte.
Wirtschaftskrisen, Kriege und die Folgen der Französischen Revolution erschütterten den Glauben an Aufklärung und Fortschritt. Die Menschen erkannten zunehmend die Grenzen der Rationalität. Gleichzeitig führte die Abwendung von der Kirche und der Deismus – die Vorstellung einer von Gott geschaffenen Welt, auf die er keinen Einfluss mehr nimmt – zu existenziellen Fragen nach der eigenen Bestimmung jenseits eines göttlichen Plans.
Diese Krisen erzeugten verschiedene Sehnsüchte: nach Abenteuer und Ferne, nach Lebendigkeit abseits rationaler Erklärungen und nach Halt und Sicherheit. Die Romantiker reagierten darauf mit einer Hinwendung zur Gefühlswelt, zum Wunderbaren und Unbewussten, um das Wahre, die "echte Klarheit" zu finden.
In ihrer Literatur förderten sie das Wunderbare und Wunderliche, Fantasie und Fiktion. Sie strebten nach einer geistigen Revolution durch die "Poetisierung" oder "Romantisierung" der Wirklichkeit, mit dem Ziel, den ursprünglichen Sinn wiederzufinden. Viele wandten sich auch wieder der Religion, besonders dem Katholizismus, zu.
Tieferer Einblick: Die "Romantisierung" der Welt war keine bloße Flucht vor der Realität, sondern ein ernsthafter Versuch, durch Fantasie, Kunst und Gefühl zu tieferen Wahrheiten vorzudringen, die der Verstand allein nicht erfassen kann.