Jakob van Hoddis: Weltende (1910)
"Weltende" ist ein programmatisches Gedicht des Expressionismus, in dem der Dichter durch aneinandergereihte Katastrophenbilder das Ende der bürgerlichen Ordnung darstellt. Es besteht aus zwei Strophen mit je vier Versen im fünfhebigen Jambus, wobei die erste Strophe einen umarmenden Reim und die zweite einen Kreuzreim aufweist.
Die Bildsprache des Gedichts zeigt eine verkehrte Welt: "Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut" oder "Eisenbahnen fallen von den Brücken". Menschen werden zu Objekten degradiert, während Dinge menschliche Züge annehmen. Der parataktische Reihungsstil stellt verschiedene Katastrophenbilder unvermittelt nebeneinander und erzeugt so ein Gefühl der Simultaneität und Disharmonie.
Die Interpretation des Gedichts verweist auf mehrere Ebenen: Es kritisiert die Bürgerlichkeit, thematisiert den Ich-Zerfall und die Entfremdung des Menschen in der Großstadt. Gleichzeitig spielt es auf bevorstehende politische Umwälzungen (Ende des Kaiserreichs, Erster Weltkrieg) und stellare Phänomene (Halleyscher Komet 1910) an.
Merke: Das Gedicht nutzt bewusst einfache Wortwahl, monotonen Satzbau und das Stilmittel des Asyndetons (Weglassen von Konjunktionen), um die verlorengegangene Harmonie der bürgerlichen Welt darzustellen.