Wirkungsabsichten des Theaters nach Lessing, Schiller und Brecht
Die Dramentheorien von Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Schiller und Bertolt Brecht zeigen unterschiedliche, aber gleichermaßen bedeutsame Ansätze zur Wirkung des Theaters auf die Gesellschaft. Jeder dieser Dramatiker hat eine einzigartige Perspektive auf die Rolle und Funktion des Theaters entwickelt.
Definition: Dramentheorie bezeichnet die systematische Untersuchung und Beschreibung der Struktur, Funktion und Wirkung dramatischer Werke.
Lessings Konzept
Lessing, ein Vertreter der Dramentheorie der Aufklärung, sieht das Hauptziel des Theaters in der Erweiterung der menschlichen Fähigkeit, Mitleid zu empfinden.
Highlight: Für Lessing ist Mitleid eine gesellschaftliche Basistugend, die uns zu besseren Menschen macht.
Diese Auffassung steht im Einklang mit der aristotelischen Dramentheorie, die die kathartische Wirkung des Theaters betont.
Schillers Ansatz
Friedrich Schiller, ein Vertreter des klassischen Theaters, entwickelt ein umfassenderes Konzept der Theaterwirkung:
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Das Theater als moralische Instanz: Es fungiert als Gericht über historische und gegenwärtige Verbrechen und schreckt vor verwerflichem Verhalten ab.
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Vorbildfunktion: Es bietet mitreißende Ansporne zur Nachahmung tugendhaften Verhaltens.
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Moralische Bildung: Es vermittelt moralische Lehren in Übereinstimmung mit Philosophie und Religion.
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Lebensbewältigung: Es zeigt Beispiele von Schicksalen und Fähigkeiten, diese zu ertragen.
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Edutainment: Es verknüpft Belehrung und Unterhaltung, Bildung und Vergnügen.
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Selbstfindung: Es ermöglicht Selbstfindung durch die Flucht aus dem Alltag und die Abklärung eigener Empfindungen und Sorgen.
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Gesellschaftliche Einigung: Es fördert die Verbrüderung über alle Menschen trennenden Standesgrenzen hinweg im gemeinsamen Theatererlebnis.
Quote: "Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet" - Schiller
Schillers Konzept des Theaters als "moralische Anstalt" zeigt deutlich die aufklärerische Idee des Theaters als Bildungsinstitution.
Brechts Theorie
Bertolt Brecht, der Begründer des epischen Theaters, setzt andere Schwerpunkte:
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Gesellschaftliche Analyse: Das Theater soll das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis von Mensch und gesellschaftlichen Verhältnissen aufzeigen.
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Veränderbarkeit: Es soll auf die Veränderbarkeit des Menschen und der Verhältnisse hinweisen.
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Aktivierung: Es soll eine neue, zeitgemäße Haltung vermitteln - der Mensch als Veränderer, der nicht nur in Naturvorgänge (Technik), sondern auch in gesellschaftliche Verhältnisse eingreift.
Vocabulary: Der Verfremdungseffekt ist ein zentrales Element in Brechts epischem Theater, das die Zuschauer dazu bringen soll, das Gezeigte kritisch zu hinterfragen.
Brecht lehnt einen Gefühlsrausch, Illusionszauber, Wirklichkeitsflucht und Versöhnung mit dem Schicksal ab. Stattdessen zielt er auf die Aktivierung zum Eingreifen im Sinne einer Veränderung der Verhältnisse ab.
Example: Ein bekanntes Beispiel für episches Theater ist Brechts Stück "Mutter Courage und ihre Kinder", das die Schrecken des Krieges durch die Augen einer Marketenderin zeigt.
Trotz ihrer unterschiedlichen Ansätze stimmen alle drei Autoren darin überein, dass das Theater ein Ort der Belehrung ist. Es verkündet Botschaften für das Leben in einer prinzipiell als sinnvoll verstandenen Welt und trägt somit zur gesellschaftlichen und individuellen Entwicklung bei.