Die große Schuldfrage: Täter oder Opfer?
Stell dir vor, du musst als Richter entscheiden: Ist Woyzeck für seinen Mord an Marie voll verantwortlich? Genau diese Frage beschäftigt Literaturwissenschaftler und Juristen seit Büchners Zeit.
Pro Schuldfähigkeit sprechen eindeutige Argumente: Woyzeck plant den Mord systematisch - er kauft das Messer, schreibt sein Testament und lockt Marie aus der Stadt. Das zeigt klare Vorsätzlichkeit, nicht spontanen Affekt. Seine idealistische Position geht davon aus, dass Menschen einen freien Willen haben, der unabhängig von äußeren Umständen funktioniert.
Contra Schuldfähigkeit steht die materialistische Position: Woyzecks freier Wille wird durch seine katastrophalen Lebensbedingungen und psychische Verfassung zerstört. Seine emotionale Labilität, ausgelöst durch Maries Untreue, macht rationale Entscheidungen unmöglich. Sein Ausruf "Bin ich ein Mörder? Guckt euch selbst an!" zeigt deutlich - er sieht die Gesellschaft als mitverantwortlich.
Merke: Das Fazit ist paradox - Woyzeck ist schuldig (er begeht die Tat), aber nicht schuldfähig (die Gesellschaft schafft die Voraussetzungen für sein Versagen).