Die Schuldfrage in Woyzeck - Täter oder Opfer?
Schuld hat drei verschiedene Dimensionen, die ihr bei der Analyse beachten müsst. Rechtlich bedeutet Schuld die direkte Verantwortung für eine Handlung, die gegen Gesetze verstößt. Moralisch geht es um das Bewusstsein für Fehlverhalten und schlechtes Gewissen. Psychologisch entstehen negative Emotionen und Selbstvorwürfe.
Bei der Schuldfähigkeit wird's richtig interessant - hier prüft man, ob jemand überhaupt für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden kann. Drei Kriterien sind entscheidend: Die Fähigkeit zur Einsicht (Konsequenzen erkennen), die Fähigkeit zum kontrollierten Handeln und die Fähigkeit zur rationalen Orientierung ohne Einfluss von psychischen Störungen.
Tipp: Unterscheidet klar zwischen "schuldig" (hat die Tat begangen) und "schuldfähig" (kann verantwortlich gemacht werden) - das ist der Schlüssel für eure Analyse!
Pro Schuldfähigkeit: Woyzeck plant den Mord bewusst (kauft das Messer, macht Testament), handelt nicht spontan im Affekt und ist trotz psychischer Probleme noch realitätsbezogen. Seine Eifersucht als Motiv zeigt rationales Denken.
Contra Schuldfähigkeit: Seine extremen Lebensumstände, Mangelernährung und sozialer Druck zerstören seine Entscheidungsfreiheit. Die Gesellschaft macht ihn systematisch zum Mörder - seine verzweifelte Frage "Bin ich ein Mörder? Guckt euch selbst an!" bringt das auf den Punkt.
Büchners Position ist eindeutig: Woyzeck ist zwar schuldig (begeht die Tat), aber nicht schuldfähig. Die Gesellschaft schafft erst die Bedingungen, die zu seinem emotionalen Versagen führen.