Martha Nussbaums Fähigkeiten-Ansatz
Nussbaum entwickelt ein mehrstufiges Modell menschlicher Anlagen, Bedürfnisse und Fähigkeiten, um festzustellen, was ein gutes Leben ausmacht:
Auf der ersten Stufe benennt sie menschliche Grundeigenschaften: Sterblichkeit, Körperlichkeit und kognitive Fähigkeiten. Dazu kommen Grundbedürfnisse wie der Bedarf nach Schutz, Mobilität, Schmerzvermeidung, Sexualität, Verbundenheit mit anderen, Humor und Spiel.
Auf der zweiten Stufe entwickelt sie ihren eigentlichen Fähigkeiten-Ansatz: Menschen zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, Sinne und Phantasie zu gebrauchen, eine Vorstellung vom Guten zu entwickeln und mit anderen Menschen und Arten verbunden zu sein. Diese Fähigkeiten versteht sie als moderne Version der aristotelischen Tugenden und betont: "Ein Leben, dem eine dieser Fähigkeiten fehlt, ist kein gutes menschliches Leben."
Was Nussbaum als Fähigkeiten bezeichnet, sind teilweise Bedürfnisse, teilweise Anlagen und teilweise Menschenrechte. Sie zu garantieren ist ethisch gefordert und politisch umzusetzen – und zwar universell. Nussbaum interpretiert Aristoteles so, dass auch er seine Tugenden nicht als kulturspezifische Charaktereigenschaften der Griechen sah, sondern als universelle menschliche Wesensmerkmale.
Moderne Perspektive: Nussbaums Ansatz verbindet antike Tugendethik mit modernen Menschenrechten und zeigt, wie zeitgenössische Denker aristotelische Ideen fruchtbar weiterentwickeln können. Ihre Theorie hat heute großen Einfluss auf entwicklungspolitische Debatten und die Menschenrechtsdiskussion.