Die Zarenherrschaft in der Krise
Um 1900 befand sich das zaristische System in einer strukturellen Krise, die alle gesellschaftlichen Bereiche umfasste:
Die Kirche
Die orthodoxe Kirche wurde offiziell vom Zaren unterstützt. Während der hohe Klerus die Monarchie stützte, kritisierte der niedrige Klerus gelegentlich die politischen und sozialen Zustände. Andere Religionen wurden zwar geduldet, aber nicht wirklich toleriert.
Der Adel
Der russische Adel lebte überwiegend in den Großstädten und unterstützte den Zaren. Allerdings äußerten Teile des Adels auch Kritik am bestehenden System. Viele Adlige waren wirtschaftlich durch Kredite hoch verschuldet.
Das Bürgertum
Die Industrialisierung setzte in Russland später ein als in West- und Mitteleuropa. Liberale Gruppen und Parteien entstanden und sammelten Anhänger in der Opposition. Die Staatsbürokratie war weitgehend korrupt.
Die Bauern
Die Bauern stellten rund 80% der Bevölkerung. Trotz der formalen Abschaffung der Leibeigenschaft 1861 blieben viele Bauern abhängig und machtlos. Die Reformen brachten meist neue Schulden, da Land nur gegen Entschädigung erhalten wurde.
Die Arbeiterschaft
Die Arbeiter bildeten eine Minderheit, lebten unter schlechten Bedingungen und wurden teilweise unterdrückt. In den Industriezentren entstanden zunehmend Proteste.
Die "Intelligenzija"
Diese Gruppe aus Schriftstellern, Intellektuellen, Journalisten und Studenten übte gewaltfreie Kritik am Zarentum und wurde häufig unterdrückt oder ins Exil gezwungen.
Der Zar regierte als unumschränkter Herrscher ohne Verfassung und ohne echtes Parlament. Diese autokratische Herrschaft wurde durch Adel, Großgrundbesitzer, Militär, Verwaltung und Kirche gestützt. Die gesellschaftliche Spaltung vertiefte sich trotz einiger Reformversuche zunehmend.