Praktische Lebensführung der beiden Schulen
Stoische Tugendlehre kennt vier Grundtugenden: Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit und Einsicht. Alles andere - Gesundheit, Reichtum, sogar das Leben selbst - ist "gleichgültig". Man kann Virtus entweder ganz besitzen oder gar nicht, ein Mittelweg existiert nicht.
Die recta ratio (richtige Vernunft) ist das Werkzeug der Stoiker gegen alle Affekte und Leidenschaften. Da die Welt einem festen Plan (fatum) folgt, sollten wir "secundum naturam vivere" - nach der Natur leben und alles gelassen hinnehmen. Notfalls bleibt als Ausdruck der Willensfreiheit der Selbstmord.
Epikurs Gegenentwurf setzt auf den Rückzug aus dem öffentlichen Leben. Seine Anhänger leben zurückgezogen mit Freunden und konzentrieren sich aufs Wesentliche - das, was die Natur wirklich braucht (satis). Manchmal muss man Unlust in Kauf nehmen, wenn daraus größere Lust folgt.
Der entscheidende Unterschied: Während Stoiker glauben, alles durch Vernunft beherrschen zu können, erkennen Epikureer an, dass vieles außerhalb unserer Kontrolle liegt. Beide Schulen wollen aber "secundum rationem vivere" - vernunftgemäß leben.
💡 Für die Klausur: Beide Schulen streben Seelenruhe an, aber die Stoiker durch aktive Tugend, Epikureer durch klugen Rückzug