Städter - Alfred Wolfenstein (1914)
Stell dir vor, du lebst in einer Großstadt, wo alles so eng ist, dass du dich trotz Millionen von Menschen völlig allein fühlst. Genau dieses Gefühl fängt Wolfensteins expressionistisches Gedicht perfekt ein.
Die erste Strophe malt ein Bild der extremen Enge: Häuser stehen so dicht wie "Löcher eines Siebes", die Straßen sind "grau geschwollen wie Gewürgte". Diese krassen Vergleiche und Personifikationen sind typisch für den Expressionismus - sie übertreiben bewusst, um Emotionen zu verstärken.
In der zweiten Strophe wird's noch intensiver: Menschen werden zu Dingen gemacht (Verdinglichung), sie "sitzen" in den Straßenbahnen wie Gegenstände. Gleichzeitig "baden" ihre Blicke ineinander - ein seltsamer Kontrast zwischen körperlicher Nähe und emotionaler Distanz.
Merktipp: Die Hakenstil-Technik (Enjambements) lässt Sätze über Versenden hinauslaufen und erzeugt ein Gefühl des Gedränges - genau wie in der beschriebenen Stadt!
Das Gedicht ist formal ein Sonett mit 14 Versen, wobei die Reimordnung bewusst von Strophe zu Strophe lockerer wird - ein Spiegelbild der aufbrechenden städtischen Ordnung.