Clara und Nathanael: Zwei Weltanschauungen im Konflikt
Clara verkörpert die Aufklärung mit ihrer Rationalität und Heiterkeit. Sie empfindet Nathanaels Gedanken als irrational und beschäftigt sich mit praktischen Tätigkeiten wie Stricken und Musikhören. Nathanael hingegen repräsentiert die Romantik und teilweise den Sturm und Drang, sieht sich als Genie und besitzt eine labile Psyche.
Ihre Beziehung spiegelt zwei unterschiedliche Wirklichkeitsperspektiven wider. Clara wird vorgeworfen, kalt und zu rational zu sein, während Nathanael für seinen irrationalen Glauben an Coppelius/Sandmann kritisiert wird.
Die Erzählung arbeitet mit mehreren zentralen Motiven: Das Augenmotiv SpiegelzurSeele,Innen−undAußenperspektive, das Feuermotiv (Explosion, abgebrannte Wohnung), das Motiv des Lachens (höhnisches Lachen des Coppelius) und das Motiv des Wahnsinns (inneres Grauen, traumatische Erlebnisse).
Merke dir: Nathanaels Wahnsinn hat mehrere Ursachen - das Perspektiv als Auslöser, Coppelius' Einfluss, die Verbindung zwischen Coppola und Coppelius sowie das Zusammentreffen verschiedener Traumata.
Olimpia und Epochenkritik
Nathanael verehrt die Automatenpuppe Olimpia obsessiv. Er ist "blind vor Liebe" und emotional abhängig von ihr. Olimpia erscheint ihm als perfekte Zuhörerin, weshalb er Clara verdrängt.
Die Erzählung übt Kritik an der Aufklärung: Das Perspektiv als rationaler Gegenstand führt paradoxerweise zu verzerrter Wahrnehmung. Die Automatenfigur Olimpia symbolisiert das Mechanische der spießbürgerlichen Gesellschaft.
Gleichzeitig kritisiert Hoffmann die Romantik: Nathanael scheitert an seinem übersteigerten Subjektivismus und seinen Wahnvorstellungen. Die romantische Absolutsetzung des Subjekts wird als nicht tragfähig dargestellt.
Die Erzählung reflektiert die Krisensituation der Romantiker angesichts der Säkularisierung, des Poesieverlusts und der mechanistischen Weltinterpretation - letztlich der "Entzauberung der Welt" und der kulturellen Spaltung durch den Verlust transzendenter Gedanken.