Fabelanalyse "Der Tanzbär" von Lessing
Lessings Fabel aus dem Jahr 1759 ist ein typisches Werk der Aufklärung - einer Zeit, in der Menschen dazu ermutigt wurden, ihren eigenen Verstand zu nutzen. Die Geschichte scheint einfach: Ein Tanzbär kehrt in den Wald zurück und will mit seinen Künsten angeben.
Doch Lessing bricht bewusst mit den Fabelregeln. In Zeile 11 wechselt er plötzlich vom Bären zu einem Hofmann - ein struktureller Bruch, der Aufmerksamkeit erzeugt. Auch das Reimschema zeigt diesen Wechsel: Erst umarmende Reime (abba), dann Paarreime, und schließlich ein neuer Reim ab Vers 11.
Der erste Teil funktioniert klassisch: Der Tanzbär prahlt mit seinem Können, doch ein alter Bär durchschaut die "Sklaverei" dahinter. Diese Metapher der "Kett' entrissen" zeigt die Unfreiheit unaufgeklärter Menschen. Der alte Bär wird zum Aufklärer, der die Wahrheit ausspricht.
Im zweiten Teil kritisiert Lessing direkt die Hofbediensteten. Mit Begriffen wie "erstiehlt" und der Antithese "Schmeichelei und List" statt "Witz und Tugend" macht er deutlich: Diese Menschen verkaufen ihre Würde für Anerkennung. Die rhetorische Frage am Ende zwingt zum Nachdenken über dieses unmoralische Verhalten.
Merktipp: Der Tempuswechsel von Präteritum zu Präsens zeigt, dass die Kritik an Schmeichelei und falscher Unterwürfigkeit auch heute noch aktuell ist!