Der Sandmann - Textauszug: Nathanaels Begegnung mit Olimpia
Der vorliegende Textauszug aus E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" beschreibt die erste persönliche Begegnung zwischen dem Protagonisten Nathanael und der geheimnisvollen Olimpia auf einem Ball. Diese Szene ist entscheidend für den weiteren Verlauf der Handlung.
Personaler Erzähler und Perspektive
Der Text wird aus der Perspektive eines personalen Erzählers geschildert, der nahe an Nathanaels Wahrnehmung bleibt. Dies ermöglicht dem Leser, Nathanaels verzerrte Sicht auf Olimpia nachzuvollziehen, ohne sofort die Wahrheit über ihre Natur zu erfahren.
Erzähltechnik: Der personale Erzähler in "Der Sandmann" ist ein wichtiges Stilmittel, das die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen lässt. Erst bei der zweiten Lektüre werden die subtilen Hinweise auf Olimpias wahre Natur deutlich erkennbar.
Nathanaels wachsende Obsession
Der Textauszug zeigt Nathanaels zunehmende Fixierung auf Olimpia:
- Seine anfängliche Schüchternheit "kaumvermo¨gendeinigeWortezustammeln"
- Das Ignorieren der Warnsignale "EiskaltwarOlimpiasHand"
- Die Umwandlung negativer Eindrücke in positive "indemAugenblickwaresauch,alsfingenaninderkaltenHandPulsezuschlagen"
- Seine extreme Eifersucht "ha¨ttejeden,dersichOlimpiana¨herte[...]nurgleichermordenmo¨gen"
Hinweise auf Olimpias wahre Natur
Der Text enthält zahlreiche subtile Hinweise darauf, dass Olimpia kein Mensch, sondern ein Automat ist:
- Die "ganz eignen rhythmischen Festigkeit" ihres Tanzens
- Ihre stereotype Reaktion "Ach - Ach - Ach!" auf Nathanaels Liebesgeständnisse
- Das "halbleise, mühsam unterdrückte Gelächter" der anderen Ballgäste
- Die "eiskalten Lippen", die Nathanael an "die Legende von der toten Braut" erinnern
Bedeutung des Augenmotivs
Das Augenmotiv taucht auch hier wieder auf: "er starrte Olimpia ins Auge, das strahlte ihm voll Liebe und Sehnsucht entgegen". Die Augen sind ein wiederkehrendes Symbol in der gesamten Erzählung und verbinden sich mit Nathanaels Kindheitstrauma.
Beziehung zwischen Nathanael und Olimpia
Die Beziehung zwischen Nathanael und Olimpia ist von Nathanaels Projektionen geprägt. Er spricht "hochentflammt und begeistert von seiner Liebe in Worten, die keiner verstand, weder er, noch Olimpia". Olimpia dient als leere Projektionsfläche für Nathanaels Fantasien - sie widerspricht ihm nie und spiegelt nur seine eigenen Vorstellungen wider.
Wichtiger Aspekt: Die Nathanael-Olimpia-Beziehung ist ein eindrucksvolles Beispiel für Hoffmanns kritische Haltung gegenüber der romantischen Schwärmerei. Nathanael verliebt sich nicht in eine reale Person, sondern in ein von ihm selbst erschaffenes Idealbild.