Natur als romantischer Zufluchtsort
Die Romantiker waren ziemlich sauer auf die Aufklärung, weil diese Mensch und Natur getrennt hatte und alles nur noch mechanisch betrachtete. Die fortschreitende Industrialisierung machte die Städte zu unwirtlichen Orten, also suchten sie ihr Heil in der unberührten Natur.
Für die Romantiker war Natur viel mehr als nur Bäume und Wiesen. Sie bot vollkommene Transparenz der Gefühlswelt und echte Freiheit. Hier konnten sie ihre Identität finden und Gott näher sein Pantheismus−GottzeigtsichinderNatur.
Die Natur fungierte als Spiegelbild der menschlichen Seele. Sie war schön, aber auch unberechenbar - genau wie menschliche Emotionen. In dieser natürlichen Umgebung konnten Romantiker ihre gesellschaftlichen Zwänge ablegen.
Merktipp: Natur = Gegenpol zur rationalen Aufklärung und industriellen Modernisierung
Wilhelm Müllers "Der Lindenbaum" (1822)
Müllers berühmtes Gedicht zeigt perfekt, wie Natur als emotionaler Anker funktioniert. Der Lindenbaum wird zum Symbol für Geborgenheit und inneren Frieden - ein Ort, wo das lyrische Ich süße Träume hatte und Liebesschwüre in die Rinde ritzte.
Das Gedicht erzählt von Sehnsucht und Fernweh. Selbst als der Sprecher weiterwandert, hört er noch das Rauschen der Zweige, die ihm Ruhe versprechen. Die "kalten Winde" symbolisieren die rauen Seiten des Lebens oder metaphorisch den Gegenwind der Aufklärung.
Besonders clever: Der wegfliegende Hut steht symbolisch für gesellschaftliche Zwänge, die in der Natur abgelegt werden können. Die Erinnerungen an diesen natürlichen Zufluchtsort begleiten das lyrische Ich überallhin - Realitätsflucht durch die Kraft der Natur.