Emilia Galotti Szenenanalyse: 2. Aufzug, 6. Auftritt
Der 6. Auftritt des 2. Aufzugs in Lessings "Emilia Galotti" stellt einen entscheidenden Wendepunkt in der Handlung dar. Emilia kehrt aufgewühlt von der Kirche zurück und berichtet ihrer Mutter Claudia von einer beunruhigenden Begegnung. Es stellt sich heraus, dass der Prinz selbst Emilia in der Kirche aufgesucht hat, in einem verzweifelten Versuch, sie von ihrer bevorstehenden Heirat mit Graf Appiani abzubringen.
Highlight: Die Szene offenbart die Dreistigkeit des Prinzen, der sogar den heiligen Raum der Kirche nicht respektiert, um seine Ziele zu verfolgen.
Emilia schildert detailliert, wie der Prinz sie bedrängt hat. Sie fühlt sich zutiefst beschämt, als er ihre Hand ergreift und sie bis ins Treppenhaus verfolgt. Ihre Schilderung zeigt ihre Verwirrung und Unsicherheit angesichts dieser unerwarteten und unangemessenen Annäherung.
Quote: "Er ergriff sie, aber mit einer Heftigkeit! - Ich sah nicht, aber ich fühlte mich in einem Augenblick in der zweiten Halle vor seinem Wagen." (S. 29, V. 23 - S. 30, V. 15)
Claudia reagiert mit einer Mischung aus Erleichterung und Sorge. Sie ist froh, dass Emilias Vater nichts von diesem Vorfall weiß, da sie seine Reaktion fürchtet. Gleichzeitig rät sie ihrer Tochter eindringlich, Graf Appiani nichts von dieser Begegnung zu erzählen, um ihn nicht unnötig zu beunruhigen.
Vocabulary: "Beunruhigen" bedeutet in diesem Kontext, jemanden in einen Zustand der Sorge oder Aufregung zu versetzen.
Emilia selbst reflektiert über ihr Verhalten in der Situation und kommt sich dabei lächerlich vor. Sie erkennt, dass es klüger wäre, Appiani nicht in Kenntnis zu setzen, was die Komplexität ihrer Gefühle und die Reife ihres Charakters unterstreicht.
Diese Szene ist von zentraler Bedeutung für die weitere Entwicklung des Dramas. Sie zeigt nicht nur die Bedrohung, die vom Prinzen ausgeht, sondern auch die moralische Stärke Emilias und die komplizierte Dynamik zwischen Mutter und Tochter. Die Emilia Galotti Charakterisierung wird hier besonders deutlich, indem Emilias Tugend und Unschuld dem skrupellosen Verhalten des Prinzen gegenübergestellt werden.