Sonettanalyse: Georg Trakl - "Verfall" (1913)
Sonette sind 14-zeilige Gedichte mit einer festen Struktur: zwei Quartette (je 4 Verse) und zwei Terzette (je 3 Verse). Trakls "Verfall" nutzt diese Form geschickt, um einen emotionalen Wandel zu zeigen.
Das Gedicht beginnt friedlich und optimistisch. Das lyrische Ich beobachtet am Abend Vögel, die wie "fromme Pilgerzüge" davonfliegen - eine Metapher für Freiheit und Sehnsucht. Die ersten beiden Strophen beschreiben eine Traumwelt, in der Zeit stillzustehen scheint.
Der Wendepunkt kommt in Strophe 3: Ein "Hauch von Verfall" reißt das lyrische Ich zurück in die Realität. Plötzlich dominieren düstere Bilder - die klagende Amsel, der rote Wein Symbolfu¨rBlut/Krieg und verwitternde Brunnen.
Merke dir: Die Farbsymbolik ist entscheidend - Rot steht für Gewalt und Kampf, Blau für Kälte und Unruhe. Diese Farben verstärken die bedrohliche Stimmung der letzten Strophen.
Das Reimschema wechselt vom umarmenden Reim in den Quartetten zum Kreuzreim in den Terzetten. Der fünfhebige Jambus und die Personifikationen (z.B. klagende Amsel) verstärken die melancholische Atmosphäre und deuten auf den bevorstehenden Ersten Weltkrieg hin.