Die "Die Marquise von O…" ist eine der bedeutendsten Novellen von Heinrich von Kleist aus dem Jahr 1808. Die Geschichte spielt während der napoleonischen Kriege in einer italienischen Festungsstadt.
Die Handlung dreht sich um die verwitwete Marquise von O, eine tugendhafte Frau von etwa 30 Jahren, die unerwartet schwanger wird, ohne zu wissen, wie es dazu kam. In ihrer Verzweiflung schaltet sie eine Zeitungsanzeige, um den Vater ihres ungeborenen Kindes zu finden. Der Graf F stellt sich als der Verantwortliche heraus - er hatte die Marquise in der Nacht des Festungsangriffs vor marodierenden Soldaten gerettet, sie aber im Zustand der Bewusstlosigkeit missbraucht. Die Geschichte thematisiert zentrale Aspekte wie Moral, gesellschaftliche Konventionen und die komplexe Beziehung zwischen Schuld und Unschuld.
Die Novelle ist charakteristisch für die Weimarer Klassik und zeigt Kleists meisterhafte Erzählkunst. Der Aufbau folgt einer präzisen Struktur mit verschiedenen Wendepunkten. Besonders interessant ist die Charakterentwicklung der Hauptfiguren: Die Marquise durchläuft einen Prozess von gesellschaftlicher Ächtung bis zur Rehabilitation, während ihr Vater zwischen väterlicher Liebe und gesellschaftlichen Erwartungen hin- und hergerissen ist. Der Graf wiederum muss sich seiner Schuld stellen und um Vergebung ringen. Die Geschichte endet mit einer überraschenden Wendung: Die Marquise verzeiht dem Grafen und heiratet ihn, wodurch die gesellschaftliche Ordnung wiederhergestellt wird. Diese komplexe Erzählung gehört zu den berühmtesten Werken Kleists und wird bis heute als wichtiger Beitrag zur deutschen Literatur diskutiert.