Gryphius' Sonett "Tränen des Vaterlandes"
In diesem barocken Klagelied nutzt Gryphius zahlreiche rhetorische Mittel, um die Kriegsfolgen eindringlich darzustellen. Gleich im ersten Vers beginnt er mit "Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!" - eine Correctio (Selbstverbesserung), die die totale Verwüstung betont. Das kollektive "Wir" schafft ein Gemeinschaftsgefühl der Leidenden.
Die erste und zweite Strophe schildern die physische Zerstörung durch Krieg: Das "vom Blut fette Schwert" und die zerstörten Gebäude sind durch Personifikationen und Hyperbeln dargestellt, wodurch die Gewalt noch greifbarer wird. Besonders wirkungsvoll ist die Klimax "Feuer, Pest und Tod" in Vers 8, die die Schrecken steigert.
In den letzten beiden Strophen vertieft Gryphius die Beschreibung mit Bildern wie den mit Leichen verstopften Flüssen. Er endet mit dem schlimmsten Verlust: dem "Seelenschatz" - dem Verlust von Religion und innerem Halt. Die formale Struktur als Sonett mit seinem strengen Reimschema (abba abba ccd eed) und dem jambischen Metrum kontrastiert wirkungsvoll mit dem chaotischen Inhalt.
Aha-Moment: Die "Dreimal sind schon sechs Jahr" in Vers 10 ergibt 666 - die Zahl des Teufels. Gryphius deutet damit an, dass die Menschen in einer Art Hölle auf Erden leben!