Vergleich der Reichsgründungen 1848 und 1871: Grundlagen und Träger
Die politische Ausgangssituation war bei beiden Reichsgründungsversuchen ähnlich: Deutschland bestand aus 38 autonomen Einzelstaaten im Deutschen Bund. Während 1848 die sozialen Gegensätze durch Pauperismus (Massenarmut) und Wirtschaftskrise verschärft wurden, fand die Reichsgründung 1871 in einer Phase wirtschaftlicher Prosperität durch fortschreitende Industrialisierung statt.
Die Träger der Bewegungen unterschieden sich fundamental: 1848 waren es das liberale Bürgertum, Studenten und Intellektuelle, die in der Frankfurter Paulskirche eine Nationalversammlung bildeten. Die Reichsgründung 1871 wurde dagegen von konservativen Kräften wie dem preußischen Adel, dem Militär und Bismarck vorangetrieben. Dies spiegelte sich auch in den Zielen wider: 1848 erstrebte man eine Verfassung mit umfangreichen Grundrechten, 1871 entstand ein Obrigkeitsstaat mit starker Stellung des Kaisers.
Der Weg zur Einheit verlief 1848 über die Märzrevolution, die Bildung von Märzministerien und die Wahl einer Nationalversammlung. 1871 hingegen wurde die Einheit durch drei Einheitskriege gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71) militärisch erzwungen.
💡 Entscheidend für das unterschiedliche Ergebnis war der Ansatz: 1848 versuchte man eine "Reichsgründung von unten" durch das Volk, während 1871 die "Reichsgründung von oben" durch Bismarck und die Fürsten erfolgte.