Grundlagen des Expressionismus
Stell dir vor, dein ganzes Leben wird plötzlich auf den Kopf gestellt - genau das passierte den Menschen um 1910. Verstädterung, technischer Fortschritt und schließlich der Erste Weltkrieg erschütterten alles, was bisher sicher schien.
Die Expressionisten reagierten darauf mit radikalen Mitteln. Sie feierten einen Lebens- und Vitalkult, der alles Rationale ablehnte und stattdessen auf Pathos und Gefühl setzte. Gleichzeitig malten sie düstere Untergangsvisionen und thematisierten den Ich-Zerfall - das Gefühl, die eigene Identität zu verlieren.
Besonders krass: Die Tabubrüche dieser Zeit. Dichter schrieben über Prostituierte, Geisteskranke und Verbrecher - nicht um zu helfen, sondern um die bürgerliche Gesellschaft zu schockieren. Die sogenannte "Wasserleichenpoesie" zelebrierte sogar Verwesung und Zerfall.
Merke dir: Expressionisten nutzten oft das Sonett als äußere Form - ironischerweise als letzten Halt in einer orientierungslosen Zeit, während der Inhalt diese Form völlig aufsprengte.
Sprachlich experimentierten sie mit Neologismen (Wortneubildungen), drastischer Bildlichkeit und einer speziellen Farbmetaphorik: Schwarz für drohendes Unheil, Rot für Blut, Blau für Sehnsucht.