Grundlagen der Gerechtigkeit
Gerechtigkeit entsteht immer dann, wenn Interessenkonflikte auftreten und Güter knapp werden - also eigentlich täglich in eurem Leben. Denkt an die Verteilung von Süßigkeiten, Noten oder auch Jobs später mal.
Gleichbehandlung bedeutet nicht, dass alle das Gleiche bekommen müssen. Stattdessen sollten Menschen, die in relevanten Punkten gleich sind, auch gleich behandelt werden. Wenn ihr beide dieselben Fehler in einer Klausur macht, solltet ihr auch dieselbe Note bekommen.
Das Recht hat dabei sieben wichtige Funktionen: Es sorgt für Ordnung, verhindert Konflikte, löst entstandene Probleme, regelt Macht, schützt eure Freiheit, gestaltet die Gesellschaft und erzieht uns alle. Ohne diese Regeln würde das Zusammenleben ziemlich chaotisch werden.
Merke dir: Moralisch gerecht und legal sind nicht dasselbe - manchmal widersprechen sie sich sogar!
John Rawls: Gerechtigkeit als Fairness
Rawls hatte eine geniale Idee: Stellt euch vor, ihr müsstet Gesellschaftsregeln entwerfen, ohne zu wissen, ob ihr später arm oder reich, klug oder weniger begabt sein werdet. Hinter diesem "Schleier des Nichtwissens" würdet ihr automatisch faire Regeln wählen.
Sein Freiheitsgrundsatz besagt: Jeder soll maximale Grundfreiheiten haben, solange andere dadurch nicht eingeschränkt werden. Das Differenzprinzip erlaubt Ungleichheiten nur dann, wenn sie auch den Benachteiligten helfen.
Faire Chancengleichheit bedeutet: Menschen mit gleichen Fähigkeiten und Motivation müssen dieselben Möglichkeiten bekommen. Das geht über bloße formale Offenheit hinaus - es braucht echte, praktische Gleichberechtigung.
Praktisch gedacht: Wenn reiche Eltern ihren Kindern Nachhilfe finanzieren können, brauchen ärmere Familien staatliche Unterstützung für echte Chancengleichheit.
Recht vs. Moral: Der große Streit
Hier prallen zwei Welten aufeinander: Naturrechtler glauben, dass Recht moralisch richtig sein muss. Rechtspositivisten sagen: Recht ist Recht, egal ob es moralisch gut oder schlecht ist.
Die rechtspositivistische Sichtweise hat praktische Vorteile: Rechtssicherheit entsteht, weil ihr vorhersagen könnt, was passiert. Richter müssen nicht ihre persönlichen Moralvorstellungen einbringen, sondern sich an geschriebene Gesetze halten.
Das positive Recht bezieht sich auf konkrete, geschriebene Gesetze eurer Zeit und eures Landes. Es ist menschengemacht und kann sich ändern. Das Naturrecht dagegen soll überzeitlich und universal gültig sein.
Denk mal nach: Wäre es fair, wenn jeder Richter nach seinem eigenen Gerechtigkeitsgefühl urteilen würde?
Aristoteles: Zwei Arten der Gerechtigkeit
Aristoteles unterschied zwischen austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit - beide sind heute noch relevant für euch.
Austeilende Gerechtigkeit regelt, wer was bekommt: Noten, Stipendien, später Jobs oder Sozialleistungen. Hier gibt es verschiedene Verteilungsregeln: "Jedem das Gleiche" oder "Jedem das Seine" je nach Verdienst oder Bedarf.
Ausgleichende Gerechtigkeit stellt das Gleichgewicht wieder her, wenn jemand geschädigt wurde. Im Zivilrecht müsst ihr Schäden ersetzen, im Strafrecht werden Täter bestraft. Das kennt ihr aus dem Alltag: Wer etwas kaputt macht, muss es ersetzen.
Aristoteles bevorzugte geometrische Gleichheit statt arithmetischer: Nicht alle bekommen dasselbe, sondern jeder das Angemessene entsprechend seiner Situation und Leistung.
Alltagsbeispiel: In der Schule ist es gerecht, wenn gute Leistungen bessere Noten bekommen - das ist geometrische Gleichheit in Aktion.