Attische Demokratie: Kritik und Vergleich mit modernen Demokratien
Der Historiker Jochen Bleicken kritisiert, dass wir die attische Demokratie nicht mit unseren heutigen demokratischen Werten beurteilen sollten. Tatsächlich war sie eine Herrschaft einer Minderheit über die Mehrheit, da nur freie, männliche Vollbürger politische Rechte besaßen. Frauen galten als waffenunfähig, Fremde (Metöken) durften nicht am politischen Leben teilnehmen, und Sklaven hatten keinerlei Rechte.
Zwischen der attischen und der modernen Demokratie bestehen grundlegende Unterschiede: Die attische Demokratie war eine direkte Demokratie ohne repräsentative Verfassung, während unsere heutige Demokratie eine repräsentative/parlamentarische Demokratie ist, in der die Mehrheit der volljährigen Staatsangehörigen mitbestimmen darf. In Athen gab es keine Parteien und keine Gewaltenteilung; das Los entschied über Ämter, nicht demokratische Abstimmungen.
David Van Reybrouck schlägt das Losverfahren als Rettung der Demokratie vor. Dabei wird eine repräsentative Gruppe von Bürgern ausgelost, die sich intensiv mit einem Thema beschäftigt, Expertenwissen einholt und nach gemeinsamer Diskussion eine Entscheidung trifft. Dieses Verfahren soll das langfristige Gemeinwohl berücksichtigen, Bürgern eine Stimme geben und der Politikverdrossenheit entgegenwirken.
Diskussionswert: Die attische Demokratie forderte von ihren Bürgern eine hohe Einsicht, Rationalität und ein starkes Verantwortungsbewusstsein - Eigenschaften, die auch in unserer heutigen Demokratie wertvoll sind. Könnte ein modernes Losverfahren die Bürgerbeteiligung stärken?