Deutscher Sonderweg und transnationale Geschichtsschreibung
Die deutsche Geschichte wird oft als "Sonderweg" interpretiert - eine Entwicklung, die im Vergleich zu westeuropäischen Nachbarn ungewöhnlich verlief. Im 19. Jahrhundert entstand der deutsche Nationalstaat nicht durch bürgerliche Revolutionen, sondern durch Kriege und eine "Revolution von oben". Was zunächst als Vorteil gesehen wurde, entwickelte sich später zur problematischen Ideologie: Demokratie wurde als "undeutsch" abgelehnt.
Nach 1945 wandelte sich die Perspektive grundlegend. Historiker entwickelten in den 1960er/70er Jahren die "Sonderweg-These", um zu erklären, warum Deutschland den Weg in die NS-Diktatur gegangen war. Als Ursachen identifizierten sie die staatliche Zersplitterung seit dem Mittelalter, die Glaubensspaltung im 16. Jahrhundert, das Scheitern der Revolution 1848/49 und die politische Rückständigkeit des preußisch dominierten Kaiserreichs. Diese Deutung diente auch als Mahnung gegen Unterdrückung und Militarismus.
In jüngerer Zeit wird die isolierte Betrachtung nationaler Geschichte zunehmend durch transnationale Perspektiven ergänzt. Durch Globalisierung, Migration und europäische Integration rücken Verflechtungen zwischen Nationen in den Fokus. Transnationale Geschichte betrachtet Einflüsse und Verbindungen in Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft und stellt die eigene Geschichte in einen größeren Zusammenhang.
Tipp: Statt Geschichte als isolierte nationale Erzählung zu verstehen, lohnt es sich, grenzüberschreitende Entwicklungen und gegenseitige Beeinflussungen zu betrachten. So erhält man ein vollständigeres Bild historischer Prozesse.