Der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess

Der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess war der erste und wichtigste der insgesamt 13 Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier standen die ranghöchsten Nazi-Funktionäre vor einem internationalen Militärgerichtshof.

Die vier Siegermächte - USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion - führten gemeinsam diesen historischen Prozess durch. Es war das erste Mal in der Geschichte, dass ein internationales Tribunal Kriegsverbrecher dieser Größenordnung verurteilte.

Warum ist das wichtig? Diese Prozesse schufen die rechtliche Grundlage dafür, dass auch Staatsoberhäupter und hohe Militärs für ihre Verbrechen bestraft werden können - ein Prinzip, das heute noch gilt.

Planung und Organisation der Prozesse

Schon 1943 planten die Alliierten die Verfolgung von Kriegsverbrechern. Die Moskauer Erklärung über deutsche Gräueltaten machte diese Absicht offiziell bekannt. Das Londoner Abkommen regelte dann die Beweissicherung und strafrechtliche Verfolgung.

Die Organisation war komplex: Jede Siegermacht stellte einen Richter und einen Hauptankläger. Generalmajor Erwin von Lahousen wurde zum Kronzeugen - er leitete die Abwehr der Wehrmacht in Österreich und packte aus.

Ein Problem war die Verteidigung: Kaum ein Anwalt wollte die Kriegsverbrecher verteidigen. Deshalb entstand eine Beratergruppe, die die berüchtigte "Legende von der sauberen Wehrmacht" entwickelte - ein Mythos, der die Schuld der Militärführung herunterspielen sollte.

Die vier Hauptanklagepunkte lauteten: gemeinsamer Plan/Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Gut zu wissen: Die Urteile fielen sehr unterschiedlich aus - während Franzosen und Sowjets alle zum Tode verurteilen wollten, plädierten die Briten für differenzierte Strafen.

Urteile und historische Bedeutung

Am 1. Oktober 1946 fielen die Urteile: 12 Todesurteile (vollstreckt am 16.10.1946 durch Erhängen), 3 lebenslange Haftstrafen, 4 lange Haftstrafen und 3 Freisprüche. Zwei Angeklagte begingen Suizid, bevor sie hingerichtet werden konnten.

In den folgenden drei Jahren fanden 12 Nebenprozesse statt, in denen 177 weitere Menschen angeklagt wurden. Diese richteten sich gegen Ärzte, Juristen, Industrielle und andere Tätergruppen.

Die historische Bedeutung ist enorm: Erstmals wurden Politiker und hochrangige Militärs persönlich für ihre Verbrechen bestraft. Das Prinzip, dass niemand sich auf "Befehlsnotstand" berufen kann, wurde etabliert.

Die Nürnberger Prozesse schufen die Grundlage für das moderne Völkerstrafrecht und waren der Vorläufer des heutigen Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Sie trugen entscheidend zur Aufklärung und Aufarbeitung der NS-Verbrechen bei.

Denk daran: Diese Prozesse zeigten zum ersten Mal, dass auch mächtige Staatsoberhäupter für Völkermord und Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden können - ein Prinzip, das bis heute gilt.

Die Hauptangeklagten und ihre Strafen - Teil 1

Martin Bormann, Hitlers mächtiger Parteikanzlei-Leiter, wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt - sein Aufenthaltsort war unbekannt (er war bereits tot). Karl Dönitz, der U-Boot-Kommandeur und spätere Marinebefehlshaber, erhielt 10 Jahre Haft.

Hans Frank, der brutale Generalgouverneur in Polen, und Wilhelm Frick, Reichsinnenminister, wurden beide gehängt. Frank hatte Polen mit eiserner Faust regiert und Millionen Menschen terrorisiert.

Hans Fritzsche vom Propagandaministerium wurde freigesprochen, später aber in Deutschland zu 9 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Walther Funk, Wirtschaftsminister und Reichsbankpräsident, bekam lebenslange Haft, wurde aber 1957 aus gesundheitlichen Gründen entlassen.

Hermann Göring, der mächtige Luftfahrtminister und Leiter des Vierjahresplans, sollte gehängt werden, beging aber am 15. Oktober 1946 Suizid in seiner Zelle.

Interessant: Die unterschiedlichen Strafen zeigten, dass das Gericht sehr genau zwischen den verschiedenen Schuldgraden unterschied - nicht alle bekamen automatisch die Todesstrafe.

Die Hauptangeklagten und ihre Strafen - Teil 2

Rudolf Heß, Hitlers ehemaliger Stellvertreter, erhielt lebenslange Haft und beging 1987 im Gefängnis Suizid. Alfred Jodl, Chef des Wehrmachtführungsstabs, wurde gehängt - seine militärische Position machte ihn mitverantwortlich für Kriegsverbrechen.

Ernst Kaltenbrunner, Chef der gefürchteten Sicherheitspolizei und des SD, wurde hingerichtet. Er war einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust. Wilhelm Keitel, Oberbefehlshaber der Wehrmacht, teilte Jodls Schicksal am Galgen.

Gustav Krupp, der Industrielle, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht verurteilt werden. Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeitsfront, beging bereits vor Prozessbeginn Suizid.

Konstantin von Neurath, Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, erhielt 15 Jahre Haft, wurde aber 1954 aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Seine Rolle bei der brutalen Unterdrückung Tschechiens war erwiesen.

Wichtig zu verstehen: Die Prozesse zeigten, dass sowohl Politiker als auch Militärs und Wirtschaftsführer für die Nazi-Verbrechen verantwortlich gemacht wurden - es gab keine "Sündenbock"-Strategie.

Die Hauptangeklagten und ihre Strafen - Teil 3

Franz von Papen, der ehemalige Vizekanzler, wurde freigesprochen, aber später in einem deutschen Spruchkammerverfahren zu 7 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Erich Raeder, Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, bekam lebenslange Haft, wurde aber 1955 entlassen.

Joachim von Ribbentrop, Hitlers Außenminister, und Alfred Rosenberg, Reichsminister für die Ostgebiete, wurden beide gehängt. Ribbentrop hatte die aggressive Nazi-Außenpolitik vorangetrieben, Rosenberg war Chefideologe des Regimes.

Fritz Sauckel, verantwortlich für den brutalen Zwangsarbeitereinsatz von Millionen Menschen, wurde hingerichtet. Hjalmar Schacht, der frühere Wirtschaftsminister und Reichsbankpräsident, wurde überraschend freigesprochen.

Baldur von Schirach, der ehemalige Reichsjugendführer, erhielt 20 Jahre Haft und wurde 1966 entlassen. Er hatte Millionen Jugendliche zu fanatischen Nazis erzogen.

Bemerkenswert: Selbst hohe Wirtschaftsführer wie Schacht konnten freigesprochen werden, wenn ihre direkte Beteiligung an Verbrechen nicht eindeutig nachweisbar war - das Gericht urteilte durchaus differenziert.

Die letzten Urteile

Arthur Seyß-Inquart, der brutale Reichsstatthalter Österreichs und spätere Reichskommissar der Niederlande, wurde am 16. Oktober 1946 hingerichtet. Seine Terrorherrschaft in den besetzten Gebieten kostete Hunderttausende das Leben.

Albert Speer, Hitlers Rüstungsminister und Architekt, erhielt 20 Jahre Haft und wurde 1966 entlassen. Speer gilt als der "Täter, der Reue zeigte" - er bekannte sich vor Gericht zu einer Mitverantwortung, ohne jedoch alle Details zu gestehen.

Julius Streicher, der Herausgeber des antisemitischen Hetzblatts "Der Stürmer", wurde gehängt. Obwohl er kein hohes Regierungsamt innehatte, wurde er wegen seiner extremen antisemitischen Propaganda und seiner Rolle bei der Vorbereitung des Holocaust verurteilt.

Die Hinrichtungen fanden alle am 16. Oktober 1946 statt - ein Tag, der das Ende der wichtigsten Nazi-Führung besiegelte.

Das solltest du dir merken: Die Nürnberger Prozesse zeigten, dass auch Propaganda und Hetze als Verbrechen gegen die Menschlichkeit geahndet werden können - Worte können tödliche Waffen sein.